Der Weg des Engländers: auf den Spuren von Edward Lear

Auf den Spuren des Grand Tour: der „Weg des Engländers“ im Nationalpark Aspromonte

Sentiero dell'Inglese

Naturkundlich

Sentiero dell'Inglese

Reiseinformationen

Kategorie

Naturkundlich

Target

Freunde/Alleine,Paar

Der „Weg des Engländers“ ist eine eindrucksvolle Route, die den Spuren von Edward Lear in Kalabrien zur Zeit des Grand Tour folgt. Der englische Künstler Edward Lear, seine Reise in Kalabrien und die geheimnisvolle Atmosphäre der „Geisterdörfer“ werden auf dem „Weg des Engländers(Sentiero dell'Inglese) im Nationalpark  Aspromonte lebendig – einem der eindrucksvollsten literarischen Landschaften Kalabriens.

Edward Lear, englischer Schriftsteller und Illustrator des 19. Jahrhunderts, war ein großer Italienliebhaber – und insbesondere von Kalabrien zutiefst fasziniert. Nach Reisen durch das römische Umland, Abruzzen und Molise war es vor allem Kalabrien, das ihn eroberte. Im Jahr 1847  bereiste Edward Lear in Kalabrien die Provinz Reggio Calabria. Seine Erlebnisse hielt er in „Journals of a Landscape Painter in Southern Calabria“ fest – ein illustriertes Reisetagebuch, das 1852 in England erschien. 

Begleitet von einem Freund und einem Esel unternahm Lear eine Wanderung durch das Aspromonte-Gebirge. Genau dieser Route folgt heutzutage der „Weg des Engländers“: einen einwöchigen Wanderweg entlang des Nationalparks Aspromonte, die im „Geisterdorf“ Pentedattilo (Gemeinde Melito Porto Salvo) beginnt und im Ort Staiti endet. Der Weg führt durch das griechische Kalabrien: Amendolea di Condofuri, Gallicianò und Bova, wo bis heute die ethnolinguistische Minderheit der „Griechen Kalabriens“ lebt.

Wir befinden uns im Nationalpark Aspromonte, einem Gebiet von großer Biodiversität aufgrund seiner geografischen Lage im Herzen des Mittelmeers, das sowohl der ionischen als auch der tyrrhenischen Seite zugewandt ist. Unterschiedliche Mikroklimata sorgen hier für eine außergewöhnliche Vielfalt an Landschaften und Lebensräumen: von mediterraner Macchia mit hochgewachsenen Steineichenwäldern – einzigartig auf der italienischen Halbinsel – über ausgedehnte natürliche Kiefernwälder bis hin zu Buchenwäldern und Tälern, die von den typischen Fiumare durchzogen sind.

Der „Weg des Engländers“ ist für erfahrene Wanderer geeignet und wird im Frühling, Sommer oder Herbst empfohlen.

Pentedattilo

Pentedattilo

Pentedattilo, Melito di Porto Salvo - Regione Calabria

Startpunkt des „Weg des Engländers“ ist das verlassene Dorf Pentedattilo, am ionischen Fuß des Aspromonte-Massivs in der Gemeinde Melito Porto Salvo. Unter den „Geisterdörfern“ Kalabriens ist das Dorf Pentedattilo ein wahres Open-Air-Filmset, das auf ein düsteres Familienmassaker zurückgreift: das „Massaker der Alberti“, benannt nach der Adelsfamilie, die im 16. Jahrhundert das Gebiet regierte. Es war ein grausames Verbrechen aus Leidenschaft, dem – so sagt man – der Fluch folgte, dass sich die fünf Felsfinger über den Ort schlossen. (daher der Name „Hand des Teufels“). 1789 wurde das Dorf durch ein Erdbeben schwer beschädigt und fast vollständig entvölkert. Seit den 1980er-Jahren wurde es durch lokale Initiativen wiederbelebt, etwa als „albergo diffuso“ (verstreutes Hoteldorf), mit dem Freilichtmuseum der bäuerlichen Kultur und Kunsthandwerksläden. Pentedattilo ist eines der Zugänge zum Nationalpark Aspromonte über den „Weg des Engländers”, der Teil des offiziellen Wanderwegenetzes „Cammini di Calabria“ ist.

Olio

Bagaladi

Regione Calabria

Die zweite Etappe des „Weges des Engländers“ auf der Karte ist Bagaladi, eiterer wichtiger Zugang zum Nationalpark Aspromonte, ein kleines Dorf mit griechisch-byzantinischen und arabischen Wurzeln, die noch heute ein kultureller Schmelztiegel ist. Bekannt für hervorragendes Olivenöl, liegt  Bagaladi  am Fuße des Monte Sant’Angelo. Hier befindet sich die historische Ölmühle Frantoio Iacopino, eine der ersten in Kalabrien, die Wasserkraft nutzte – heute Sitz des   Olivenölmuseums Museo dell'Olio.

Amendolea

Amendolea

Regione Calabria

Die dritte Etappe des „Wegs des Engländers“ ist Amendolea, ein altes Dorf griechischen Ursprungs an der gleichnamigen Fiumara. Über dem Ort thronen die Ruinen der Castello Ruffo, eine der normannischen Burgen Kalabriens. Im nordwestlichen Teil eines langen und unzugänglichen Felshangs gelegen, zwischen den Fiumare Amendolea und Condofuri, verschmilzt dieser Ort mit den monumentalen Ruinen des alten Dorfes, darunter auch die einer kleinen byzantinischen Kirche, in der einst der antike griechisch-orthodoxe Ritus praktiziert wurde.

Gallicianò

Gallicianò

Regione Calabria

Die vierte Etappe auf dem „Weg des Engländers“ ist  Gallicianò. Das „Geisterdorf“, gilt als Akropolis der Magna Graecia Kalabriens – denn es ist das einzige noch vollständig griechischsprachige Dorf, in dem heute noch ausschließlich Griechisch gesprochen wird. Die kulturellen, handwerklichen, musikalischen und tänzerischen Traditionen sind hier dank der Isolation erhalten geblieben. Besonders eindrucksvoll sind die Brunnen der Liebe („Cannalo tis Agapi“) und die Kirche „Chiesa della Madonna della Grecia“ („Panaghìa tis Ellada“), in der ebenfalls der griechisch-orthodoxe Ritus praktiziert wird.

Castello Normanno, Bova

Bova

Castello Normanno, Bova - Vincenzo Stranieri

Die Etappe von Bova, einem der „schönsten Dörfer Italiens“ entlang des „Weg des Engländers“, bewahrt das antike griechische Kalabriens durch Riten, Sprache und religiöse und gastronomische Traditionen. Das historische Zentrum klammert sich an einen markanten Felsen am Fuß des Aspromonte – mit direktem Zugang zum  Nationalpark. Zum Dorf gelangte man früher durch zwei Toranlagen mit Türmen. Über die verwinkelten Gassen gelangte man zur Akropolis, an der auch heute noch die wichtigsten Gebäude liegen: die Kathedrale, der Bischofspalast („Palazzo Vescovile“) und weitere Adelspaläste. Von dort führt der Weg weiter bis zu den Ruinen der normannischen Burg („ Castello Normanno“), die hoch oben auf eine Klippe thront. Weitere Highlights, die man in Bova bewundern kann, sind: Kirche San Leo mit der Reliquienkapelle, die Kirchen del Carmine und dell’Immacolata, sowie die Fassaden der Paläste Mesiani-Mazzacuva, Nesci Sant’Agata und Palazzo Tuscano, mit ihren kunstvollen Steinmetzarbeiten. Zwei besondere Erlebnisse: der Pfad der bäuerlichen Kultur („Sentiero della Civiltà Contadina“) – ein Freilichtmuseum in den Gassen – und das Museum für die griechisch-kalabrischen Sprache (Museo della Lingua Greco-Calabra) „Gherard Rohlfs“, benannt nach dem deutschen Philologen, der diesen Dialekt erforschte.

Calanchi di Palizzi

Palizzi

Calanchi Bianchi, Palizzi - Vincenzo Stranieri

Palizzi ist die sechste Etappe des „Weges des Engländers“ auf der Karte. Der Yachthafen erstreckt sich entlang der Costa dei Gelsomini und ist berühmt für seine weißen Calanchi (Calanchi di Palizzi) und den berühmten Wein Palizzi IGT. Neben unberührten Stränden, wo Caretta-Caretta-Schildkröten nisten, bietet Palizzi einen sehenswerten historischen Ortskern – Palizzi Superiore – auch Teil des „Weges des Engländers“. Das historische Zentrum entstand rund um den Felsen der alten Burg von Palizzi („Castello di Palizzi“) (13. Jahrhundert), einer imposanten Festungsanlage, die direkt in den Felsen gebaut wurde. Heute sind noch die Überreste der Wehrmauern mit mächtigen Bastionen und Schießscharten sowie zwei Türme (ein runder und ein eckiger) erhalten. Etwas außerhalb der Ortschaft befindet sich das kleine Dorf Pietrapennata mit dem alten Alica-Kloster (Monastero dell’Alica) und den Überresten des Klosters Sant'Ippolito (Monastero di Sant'Ippolito).

Cammino Basiliano

Staiti

Staiti - Cammino Basiliano

Der „Weg des Engländers“ endet in Staiti, dessen Ortskern sich an die geschwungenen Formen der Rocca Giambatore schmiegt und eine herrliche Übersicht bietet. Hier führt der Wanderweg bis an die Grenzen des Aspromonte-Nationalparks und umfasst auch den Besuch der Kirche Santa Maria dei Tridetti, ein bedeutendes Beispiel byzantinischer Architektur in Kalabrien.



Letztes Update: 25. Aug 2025 07:55