Auf den Spuren der sarazenischen Araber in Kalabrien
Arabisch-türkisches Kalabrien: Kultur, Dörfer, Sprache und Gastronomie

Kunst und Kultur
Regione Calabria
Ein Geflecht aus Herrschaften, Austausch und Kulturen hat im Laufe der Jahrhunderte das wunderschöne „Grenzland“ Kalabrien geprägt. Dies zeigt sich in der Landschaft, den Siedlungen, den Bräuchen, der Sprache und sogar in den traditionellen Gerichten, die noch heute auf den Tisch kommen.
Einer der faszinierendsten Begegnungen beziehungsweise Konflikte war sicherlich derjenige mit den Arabern und Sarazenen. Sie hinterließen eine unvergessliche Spur des Orients auf dem gesamten kalabrischen Gebiet, von Nord bis Süd.
Die Araber im 9. Jahrhundert und später die osmanischen Türken/Sarazenen im 16. Jahrhundert haben bedeutende Spuren ihres Einflusses hinterlassen, die noch heute in einer besonderen Route zur Entdeckung des arabischen Kalabriens sichtbar sind.
Reise zu den arabischen Emiraten Kalabriens
Ja, tatsächlich! Die kalabrischen Emirate waren drei: Amantea (CS), Santa Severina (KR) und Tropea (VV).
Kein Zufall, dass ihre historischen Zentren, die sich auf ewigen Verteidigungslinien erheben, noch immer die architektonische Struktur echter Kasbahs (Zitadellen, Festungen) bewahren.
Es war daschristliche Jahr 801, als die arabischen Schiffe vom benachbarten Sizilien aus, das bereits Teil des glorreichen Kalifats der Umayyaden (syrische Dynastie von Damaskus, Gründer des andalusischen Kalifats) war, ins byzantinische Kalabrien aufbrachen, um es zu einem weiteren Eroberungsgebiet zu machen, beginnend mit der ersten Eroberung von Reggio Calabria.
Die Angriffe dauerten zwischen 840 und 856 an und endeten mit der Eroberung von drei wichtigen Stützpunkten, die zwischen Küste und Hügel lagen und als Ausgangspunkte für weitere Überfälle auf das gesamte kalabrisch-apulische Gebiet dienten.
Die heutige Stadt Amantea, an der oberkalabrischen Tyrrhenischen Küste, wurde 846 erobert. Der Name selbst geht auf jene Eroberung zurück, die al-Mantiah ( „Die Festung“) zu einem uneinnehmbaren Emirat machte, das auf dem Gipfel des Panoramahügels mit Blick auf das Meer errichtet wurde. Dort stehen noch heute die Überreste des Castello di Amantea und vor allem das Gebäude, das Forscher als die alte Moschee zur Zeit des Emirs identifizierten, die heutige Kirche San Francesco.

Unter den wenigen archäologischen Funden, die mit dem Emirat von Amantea in Verbindung stehen, befindet sich das Fragment einer Grabstele, das im heutigen Palazzo delle Clarisse (wo es in das Mauerwerk verarbeitet wurde) entdeckt wurde und heute im Archäologischen Nationalmuseum von Reggio Calabria sichtbar ist. Es trägt zwei koranische Inschriften in arabischer Sprache.
Das gesamte historische Zentrum, wie viele andere Orte, die Angriffen und gelegentlichen Eroberungen ausgesetzt waren, weist die Merkmale einer orientalischen Kasbah auf, mit einem Geflecht von engen Gassen, aneinander gebauten Häusern, kleinen Plätzen und Innenhöfen.
Ähnliche Schicksale erlebte der Ort Santa Severina in der Provinz Crotone, der heute zu „den schönsten Dörfern Italiens zählt.“
Die Burg von Santa Severina, eine der am besten erhaltenen Festungen Kalabriens, stellt das normannische Bollwerk dar, das König Robert Guiscard im 11. Jahrhundert gegen die arabische Eroberung errichten ließ. Die Araber hatten jedoch bereits zwischen 840 und 886 das antike byzantinische Kastron bewohnt und ausgebaut, wodurch ein militärischer Komplex mit religiösen Gebäuden entstand.

Tropea, heute einer der „schönsten Dörfer Italiens “ und Träger der Blaue Flagge in der Provinz Vibo Valentia, wurde 851 von den Arabern eingenommen. Noch heute bewahrt der Ort Spuren des antiken Emirats in seinem Stadtgefüge, das auf den Klippen thront und auf das heutige Santuario di Santa Maria dell’Isola blickt.
Mehr noch als der arabischen Herrschaft verdankt Tropea eine ihrer bedeutendsten traditionellen Feste der späteren Vertreibung der Sarazenen (bzw. der osmanischen Türken). Bekanntlich nahmen die Bürger von Tropea massenhaft an der berühmten Schlacht von Lepanto am 7. Oktober 1571 teil, unter dem Kommando des Kapitäns Gaspare Toraldo von Tropea. Ihr Einsatz trug maßgeblich zum Sieg der Heiligen Liga bei. Um dieses Ereignis in Erinnerung zu rufen, wird jedes Jahr am 3. Mai das Volksfest „I Tri da’Cruci“ gefeiert, bei dem pyrotechnische Flammen die Silhouetten einer Papierflotte und eines Kamels in Brand setzen.

Neben der Struktur der drei Emirate findet man Spuren des arabischen Einflusses in Kalabrien in zahllosen Orten von Nord bis Süd, vom Tyrrhenischen bis zum Ionischen Meer. Beispiele sind Burgen und Inschriften, wie jene, die Allah lobpreist, eingraviert in eine der Säulen der Cattolica di Stilo, einem byzantinischen Kunstjuwel in der Provinz Reggio Calabria. Dies führte einige Forscher zur Hypothese, dass das Gebäude einst als Moschee wiederverwendet wurde.
Zu den „Schönsten Dörfern Italiens“ gehörend, wurde Stilo, ebenso wie Gerace und viele andere kalabrische Dörfer, auf Hügeln errichtet, um den ständigen Überfällen entlang der Küsten zu entgehen.

Der Frühling des Jahres 1059 markiert das Ende der arabischen Herrschaft in Kalabrien, die zugunsten der Normannen beendet wurde, als Reggio Calabria erobert wurde. Doch das Ende der politischen Herrschaft bedeutete nicht das Ende der arabischen Kultur in Kalabrien. Diese bleibt lebendig in den Klängen und dialektalen Begriffen arabischen Ursprungs (z.B. gèbbia/gabya – Wasserzisterne, sciàrra/sciar – Streit, ambàtula/batil – nutzlos) und in einigen typischen Produkten und Gerichten der kalabrischen Küche (z.B. Reis, Salz, Zuckerrohr, Auberginen).
„Mamma li turchi!“ Kalabrien und die Sarazenen
Ein begehrtes Eroberungsland: Im Hochmittelalter wird Kalabrien erneut zum Ziel der orientalischen Völker. Diesmal handelte es sich um die „eigentlichen Sarazenen“, also die osmanischen Türken der Sultane Selim I. und Süleyman I. (Suleiman der Prächtige), die nicht mit den früheren Arabern zu verwechseln sind, da diee Türken indoeuropäischen Ursprungs sind.
Auf dem Höhepunkt seiner kulturellen und territorialen Ausdehnung beherrschte das Osmanische Reich im 16. Jahrhundert die Küsten des Mittelmeers von Afrika bis Asien und bedrohte die Gebiete von König Karl V., wodurch Panik entlang der gesamten kalabrischen Küste von der Ionischen bis zur Tyrrhenischen Seite verbreitet wurde.
„Von San Lucido bis Stilo, von Camini bis Trebisacce gab es keinen Ort oder keine Stadt, die nicht Verwüstungen, Plünderungen, Grausamkeiten und beispiellose Massaker erlitt, sodass die Bevölkerung manchmal gezwungen war, anderswo Zuflucht zu suchen.“
Quellen berichten, dass die spanischen Könige die Notwendigkeit sahen, ein umfassendes Küstenverteidigungssystem zu errichten, das aus Wachtürmen (cavallare, mit Beobachtungsposten) bestand, die die Gefahr innerhalb weniger Stunden mit Feuern, Rauchzeichen und Hornsignalen melden konnten.
Ein System, das jedoch beispielsweise in der berühmten Geschichte von Occhialì (besser bekannt als Uluç Alì) wenig nützte, die sich vor der Meeresfestung von Le Castella ereignete, im heutigen Meeresschutzgebiet von Isola Capo Rizzuto in der Provinz Crotone.

Damals sorgte die Geschichte des kalabrischen Jungen, der 1536 vom Korsaren Barbarossa entführt und zum gefürchteten Piraten Uluç Alì wurde – dem Schrecken des Mittelmeers –, sicherlich für großes Aufsehen.
Deshalb beherbergt noch heute die Piazzetta Uccialì, in der Nähe der Festung, seine Büste: einen schnurrbärtigen sarazenischen Piraten, den die darunterliegende Inschrift als „Giovanni Dionigi Galeni, Castella-Konstantinopel, 16. Jahrhundert“ ausweist.
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